Suche:
News

23.01.2022

Seepferdchen-Wiesen


Das Seegras unserer (See)Pferdewiesen

 

Wer am Strand spazieren geht, findet zur Zeit runde, faserige Kugeln – das sind vom Meer zusammengerollte Seegrasreste. Vermutlich wurde dieser Vorgang vom Sturm begünstigt. Da das Seegras die Heimat von Seepferdchen ist, könnte es sein, dass die auf Wangerooge, Baltrum und nun auch Spiekeroog gefundenen Jungtiere ihren Halt verloren haben und deshalb vermehrt aufgefunden werden.

 

 

Das Seegras – eine seltsame Pflanze mit bewegter Vergangenheit. In der Urzeit entstanden zunächst Algen in der Ursuppe; irgendwann traten Veränderungen ein, und die Algen eroberten als höhere Pflanzen das Land. Das Seegras, eine Landpflanze, drehte den Spieß dann wieder um und wanderte zurück ins Meer – alles klar? 

 

Aufgrund dieser Vergangenheit ist das Seegras als einzig höhere Blütenpflanze bestens für ein Leben im Meer gerüstet: Es hat ein weitreichendes Wurzelwerk, um sich fest im Wattboden zu verankern; die unscheinbaren Blüten produzieren Samen (Samen garantieren eine bessere Keimung als Algensporen – die Tätigkeit der Bienen an Land werden durch Schwimmpollen im Wasser ersetzt); die Blätter sind so robust, dass sie sogar bei Ebbe noch Photosynthese betreiben können (da sind Algen längst vertrocknet). 

 

Auf sturmfreien Flächen entwickeln sich aus den beiden Seegras-Arten, die bei uns vorkommen, Wiesen. Da das Seegras frostempfindlich ist, sterben im Winter die Blätter ab. So findet man nach Sturmfluten besagte rundliche Bündel/Ballen am Strand. Im Frühjahr bilden sich die Seegraswiesen durch Samen und aus den Wurzelstöcken wieder neu.

 

Der Name „Seegras“ beruht auf den grasartig ausgebildeten Blättern, es gehört aber nicht zu den Gräsern. Zwei Arten kommen bei uns vor: 

 

Das Große Seegras (Zostera marina) wird 10 bis 50 Zentimeter hoch, die Blätter drei bis neun Millimeterbreit. Das Große Seegras wächst eher im Verborgenen, da es auf sandigen Bereichen mit seinem dichten Rasen gerne untergetaucht bleibt (bis zehn Meter Wassertiefe) – zur Not auch in kleinen, wassergefüllten Senken.

 

Das Kleine Seegras, auch Zwergseegras (Zostera noltii), ist dunkelgrün; die Blätter 10 bis 30 Zentimeter lang und ein Millimeter breit. Es ist frosthärter als das Große Seegras und wächst daher in höher gelegenen Bereichen des Watts, gerne auf schlickigen Böden bis ein Meter Wassertiefe. 

 


Ökologische Funktion

Seegraswiesen haben hohe ökologische Bedeutung: Ihr Wurzelwerk erhöht die Stabilität des Wattbodens. Um die Pflanzen herum werden organische Partikel und Nährstoffe festgelegt –> damit tragen Seegraswiesen zur Verbesserung der Wasserqualität bei. 

Die Seegraswiesen bieten Muscheln und Krebsen Schutz. Viele Nutzfischarten laichen zwischen den Blättern ab, die Jungfische verstecken und entwickeln sich hier. Für die Seepferdchen sind Seegraswiesen das Zuhause – dort können sie die Blätter mit dem Greifschwanz fest umklammern, sich mit Hochzeit und Kinderkriegen austoben; genügend Nahrungspartikel schweben ebenfalls vorbei.

Die Seegras-Blätter selbst wiederum werden im Herbst gerne von Pfeifenten und Ringelgänsen verspeist. Untersuchungen ergaben, dass an den Stellen, wo die Vögel im Herbst die Hälfte des Seegrasbestandes fraßen, im Frühjahr darauf das Seegras dichter wuchs als an den vor Fraß geschützten Stellen – somit eher ein positiver Effekt und nicht Ursache des Rückgangs.

 


Bedrohung

Früher wurde getrocknetes Seegras als Matratzen- oder Polsterfüllstoff genutzt; es wurde auch als Verpackungsmaterial für Glas, als Dünger, zur Jodgewinnung und mit Pech getränkt als Pflastersteine verwendet.

Heute ist das Seegras rar geworden: An der niederländischen Westküste verringerte sich die mit Seegras bewachsene Fläche von 15.000 Hektar auf 160 Hektar, in Niedersachsen von 35,5 Quadratkilometer (1970) auf 8,2 Quadratkilometer (1997). Größere Flächen sind nur noch im schleswig-holsteinischen Teil des Wattenmeeres (Nordfriesland) anzutreffen: Anfang des Jahrtausends wurden 80 Prozent der vorhandenen Bestände des gesamten Wattenmeeres dort gefunden. 

Es gab zwei Phasen des Rückgangs:

Zwischen 1931 und 1934 wurden die Seegraswiesen durch eine Kombination aus extremen Witterungsbedingungen (warme Sommer) und der nachfolgenden Infektion durch den aus Nordamerika eingeschleppten Schleimpilz Labyrinthula macrocystis stark dezimiert. 

Seit den 1970ern ist ein zweiter Rückgang zu verzeichnen. Vermutungen: 

Anthropogene Ursachen – neben Fischerei mit Dredgen, Landgewinnungsarbeiten (damit einhergehende Veränderung von Strömung), tödlichen Herbizide aus Land-  und Forstwirtschaft leidet das Seegras unter Eutrophierung. Der hohe Nährstoffeintrag hat mehrere Auswirkungen:

Zuviel Stickstoff schädigt das Seegras direkt. Die vielen Nährstoffe fördern übermäßiges Algenwachstum, was wiederum das Wasser eintrübt – der dadurch verursachte Lichtmangel beeinträchtigt die Photosynthese des Seegrases. Außerdem gibt es epiphytische Algen, die auf den Seegrasblättern wachsen, und damit die Photosynthese ganz verhindern. Die Algen werden normalerweise von kleinen Wattschnecken abgeschabt, aber in den letzten drei Jahrzehnten hat die Häufigkeit und Stärke von Westwinden zugenommen. Die Wellen verhindern, dass sich die Wattschnecken auf den Blättern halten können, und starke Strömungen sorgen dafür, dass das Seegras nicht wurzeln kann. 

Im südlichen und zentralen Wattenmeer gingen die Seegrasbestände bis in die Neunzehnhundertneunzigerjahre zurück. Inzwischen gibt es Anzeichen dafür, dass sich die Bestände langsam erholen – ein wichtiges Schutzziel der Wattenmeer-Anrainer!

 

Das Seegras ist ein gutes Beispiel dafür, wie komplex es im Wattenmeer zu geht. Vieles von dem, was dort vorgeht, entzieht sich unserer Kenntnis. Hoffen wir, dass die Forschung voran kommt, neue Ergebnisse liefert und wir dann wissen, was zu tun ist, damit Seegras, Seepferdchen & Co sich wieder bei uns wohl fühlen!

 

(Das Seegras auf den Seepferdchenbildern im Multimar 2005 war übrigens aus Plastik – es ist noch nicht gelungen, echtes Seegras in Aquarien wachsen zu lassen!)

 

Einen guten Wochenstart wünscht das Nationalpark-Haus-Team!


 

 

 


Autor: Karen Kammer, Nationalpark-Haus Baltrum
Fotos: Elke Szeklinski


Baltrum-Online.de ist ein werbefreies und unabhängiges Angebot. Wir berichten ehrenamtlich und frei über die Insel Baltrum und stehen in keinerlei Verbindung zur Gemeinde Baltrum.

Weitere News

1.11.2025

Fußball-Total in der SchirmSeaBar

Nachmittags und am Abend: Bundesliga!...

31.10.2025

Noch ein Saisonausklang

De Fleitjes van Baltrum mit ihrem Jubiläumsprogramm 2.0...

30.10.2025

Baltrum sturmzerzaust

Joshua hatte es in sich... die Hochwasser waren zwar nicht dramatisch hoch, aber an der neuen Schwac...

30.10.2025

Letzte Wattwanderung

Große Wattwanderung am 31. Oktober ist die letzte der Saison...

27.10.2025

Neue Männer gesucht!

ShantyChor startet am kommenden Wochende mit Workshop in die Probenzeit...

27.10.2025

Diese Woche in der ev. Kirche

Andachten, Förderkreis, Fleitjes, Reformationstag... + Musikbegleitung gesucht!...

26.10.2025

Nochmal mit Musik

Nipptied im Nationalpark-Haus...

26.10.2025

Geänderte Abfahrten der B.-L.

Die Abfahrten um 11:45 Uhr ab Neßmersiel und um 14:30 Uhr ab Baltrum entfallen....

25.10.2025

Sonntag nochmal Nipptied

Gute-Laune-Musik im Nationalpark-Haus Das Trio Nipptied verabschiedet die Saison am Sonntagnachm...

24.10.2025

Sparwoche

Die Volksbank gibt bekannt: Auch in diesem Jahr findet wieder die beliebte Sparwoche der RVB Fre...

24.10.2025

Für die Gestrandeten

Das Nationalpark-Haus hatte über Mittag auf...

23.10.2025

Tante Wandas letzte Auferstehung

Toller Saisonabschluss für die Inselbühne...

22.10.2025

Baumhäuschen im Birkenwäldchen

Ganz aus dem Häuschen - Peter Puls...

21.10.2025

Veranstaltungstipps

Die Gemeinde Baltrum empfiehlt...

21.10.2025

Tante Wanda am Mittwoch

22.10.2025 um 20.30 Uhr im HdG, Karten in der Schatzinsel...

19.10.2025

Wieder offene Scheibe

Opel auf dem Parkplatz am Hafen Neßmersiel...

19.10.2025

ZVT III.

Erlbenisbericht von Karen Kammer, Teil II. Am Miwwoch, dem 15. Oktober 2025 trafen sich 20 Kinde...

18.10.2025

Schöner Saisonschluss

Letzte Aufführung für dieses Jahr von Auf hoher See...

18.10.2025

Sehen in der SchirmSeaBar

Nachmittagsspiele + am Abend: FC Bayern München gegen Borussia Dortmund...

17.10.2025

TenneT Bau-Update

Status der Bohrungen, Baustellen, Rohrfertigung + Video...

17.10.2025

Dernière: Auf hoher See

Überraschung!...

15.10.2025

Toller Saisonabschluss

Für den ShantyChor Baltrum war es am Dienstag ein toller Saisonabschluss mit einem schönen Konzert, ...

15.10.2025

Veranstaltungstipps

Lesung, Konzert, Theater......

15.10.2025

Post hat Donnerstag zu

Filiale im Störtebeker am 16.10.25, personalbedingt geschlossen...

14.10.2025

ZVT II.

Erlebnisbericht von Karen Kammer...


Alle Artikel des Jahres

Inselrundgang

Archiv


Volltextsuche:

Alle News der letzten 25 Jahre im Archiv:

2025
2024
2023
2022
2021
2020
2019
2018
2017
2016
2015
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001



8267 Artikel online verfügbar