Suche:
News

11.03.2025

ZVT: Sturmmöwe im Focus


Medieninformation der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer | 11.3.2025

 

Die Sturmmöwe im Fokus

 

Ein wissenschaftliches Symposium widmete sich dem Titelvogel der diesjährigen 17. Zugvogeltage im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Aus Finnland, Hochburg für brütende Sturmmöwen und Partnerland der 17. Zugvogeltage, war ein Referent online zugeschaltet.

 

Möwen gehören wie selbstverständlich zum alltäglichen Bild unserer Küsten und werden vielleicht gerade deshalb weniger beachtet als z. B. Watvogelarten, die nur zur Brutzeit oder auf dem Durchzug hier präsent sind. Am ehesten fallen wohl Silber- und Lachmöwen ins Auge, die die Nähe zum Menschen nicht scheuen und auf der Jagd nach Fischbrötchen und Eiswaffeln auch mal übergriffig werden. Eher zurückhaltend gibt sich die Sturmmöwe, die in gemischten Ansammlungen von Möwen gern übersehen wird. In diesem Jahr bekommt sie als Titelvogel der Zugvogeltage im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer (11. bis 19.10.2025) eine besondere Bühne. Im Vorfeld tauschten sich jetzt Ornitholog*innen und weitere Interessierte über Forschungsergebnisse zu dieser spannenden wie hübschen Möwenart aus. Etwa 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen im Wattenmeer Besucherzentrum Wilhelmshaven zusammen, gut 40 waren online dabei.

 

Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung, und Prof. Dr. Miriam Liedvogel, Leiterin des Instituts für Vogelforschung, übernahmen die Begrüßung und Einführung. Einen umfassenden Einblick in die Datenlage zur Verbreitung der Sturmmöwe in Deutschland gab Christopher König vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA). Eine solide Datenbasis bietet die 2011 gegründete Plattform ornitho.de zur Meldung von Vogelbeobachtungen mit aktuell über 55.000 registrierten Nutzerinnen und Nutzern. Etwa 300.000 vorliegende Meldungen zur Sturmmöwe konnte König auswerten. Der Brutbestand liegt in Deutschland bei etwa 17.000 Paaren, die meisten davon an der Nordseeküste. Rastende Trupps von bis zu 15.000 Individuen wurden beobachtet. Die geografische Verbreitung innerhalb Deutschlands nimmt zu, die Anzahl der Brutpaare allerdings ab. Aufgrund des Klimawandels mit milderen Wintern verschieben sich die Rastgebiete Richtung Norden.

 

Einen genaueren Blick auf die Sturmmöwe im Nationalpark warf Dr. Florian Packmor, Ornithologe bei der Nationalparkverwaltung. So nutzen etwa zehn Prozent des gesamten Zugweg-Bestandes von 180.000 Sturmmöwen im Jahreslauf den hiesigen Lebensraum. Für die herbstliche Rast gelten z. B. der westliche Jadebusen und der Langwarder Groden als Rastgebiet nationaler Bedeutung. Der Brutbestand im Wattenmeer zeigte in den 1980/90er Jahren einen starken Anstieg. Zuvor war die Sturmmöwe vor allem auf den unbewohnten Inseln mit nur wenigen Brutpaaren präsent, mit der Ausweisung der Wattenmeer-Nationalparke fand sie weitere störungsfreie Blutplätze. Aktuell ist der Brutbestand insgesamt leicht sinkend, in Niedersachsen einigermaßen stabil.

 

Prof. Dr. Stefan Garthe vom Forschungs- und Technologiezentrum Westküste, Christian-Albrechts-Universität Kiel, berichtete in seinem Beitrag „Seevogel, Agrarvogel oder Stadtvogel?“ über Erkenntnisse zu Nahrung und Habitatwahl norddeutscher Sturmmöwen. Für seine Forschungsprojekte wurden Sturmmöwen mit kleinen GPS-Sendern versehen, die über Mobilfunk Datum, Uhrzeit, Position und Geschwindigkeit der Vögel übermitteln, woraus sich dann Bewegungsmuster erstellen lassen. Mithilfe von Fernerkundungsdaten wurde die Nutzungsart der von den Vögeln aufgesuchten Flächen ermittelt. Demnach nutzen Sturmmöwen aus Kolonien in natürlichen Lebensräumen wie Langenwerder (Insel Poel, Ostsee) vor allem Grünland und Äcker im Binnenland als Nahrungsgebiete, während Vögel, die auf Dachflächen in Kiel und Hamburg brüten, bevorzugt städtische Grünanlagen ansteuern. Die Analyse von Speiballen ergab, dass Regenwürmer einen relevanten Anteil der Nahrung ausmachen. Je weiter Ackerflächen zuwachsen und ab August auch austrocknen, desto mehr wechseln die Sturmmöwen zum Nahrungserwerb ins Watt. Nach der Ernte gewinnen Ackerflächen dann wieder an Bedeutung.

 

Martti Hario (BirdLife Finland) berichtete aus dem Partnerland der diesjährigen Zugvogeltage über die Sturmmöwe in der finnischen Ornithologie. Dort ist die Sturmmöwe nur während der Brutzeit, etwa vier Monate, präsent, in der übrigen Zeit ist vor allem das Wattenmeer die „survival area“. Als Brutvogel ist die Sturmmöwe in Finnland seit langem intensiv erforscht. Aus bislang 140.000 Beringungen konnten 15.000 Wiederfunde ausgewertet werden. Auf den weitläufigen Flächen, Insellandschaften und Mooren, abseits intensiver Zivilisation, brüten die Vögel dort oft nicht in Kolonien, sondern als Einzelpaare. Sie nutzen 80 Prozent der Landesfläche mit einem Areal von bis zu zehn Quadratkilometer pro Brutpaar. Zunehmend ist zu beobachten, dass die Vögel aktiv die Nähe des Menschen suchen, als Schutz vor vierbeinigen Prädatoren. Ernüchternd sind allerdings die Verluste von Sturmmöwen-Küken durch andere Möwenarten. Die Küken werden intensiv beringt und die Ringe finden sich dann in den Speiballen anderer Möwenarten wieder. So waren bis zu 83 Prozent Verluste durch Heringsmöwen festzustellen. Auch innerartlicher Kannibalismus spielt eine Rolle.

Sehr ernüchternd ist die Feststellung, dass von den überlebenden Küken ein relevanter Anteil wenige Tage nach dem Schlüpfen durch Schadstoffbelastung stirbt. Die Ostsee ist das am meisten durch Organochloride wie PCB belastete Meer, der Nachwuchs nimmt schon im Mutterleib die Schadstoffe in der Leber auf und kommt bereits geschwächt auf die Welt. Nach dem Schlupf ist der Nabel noch einige Stunden offen, den eindringenden Bakterien können die wenig resilienten kleinen Organismen nichts entgegensetzen. Ein Grund mehr, der Vergiftung der Meere auf internationaler Ebene konsequent entgegenzutreten.

 

Stimmungsaufhellend wirkte der nachfolgende humorvolle Vortrag von Benjamin Steffen über Tücken und Tipps in Sachen Möwenbestimmung. Möwen mausern je nach Art über zwei, drei oder vier Jahre das Gefieder durch und sind in jeder Phase mit ähnlichen Arten zu verwechseln. Angesichts gemischter Möwenansammlungen verschiedenster Jahrgänge neigen Vogelbeobachterinnen und -beobachter dazu, das Spektiv lieber in Richtung benachbarter Trupps von Enten oder anderer Artengruppen zu schwenken, die leichter zu identifizieren sind, wie Steffen mit einem Foto ironisch verdeutlichte. Viele Anwesende fühlten sich ertappt, wurden durch seine folgenden Ausführungen jedoch ermutigt, bei dieser interessanten Artengruppe genauer hinzuschauen.

Steffen begann vor über 20 Jahren auf Mülldeponien mit der Möwen-Erfassung. Die Deponien waren damals noch nicht abgedeckt und deshalb ein beliebtes Nahrungshabitat für Möwen. Dort versteckte er sich in standortgerechten „Tarnzelten“ aus Pappkartons und Mülltüten. Durch das Ablesen von Ringen konnte er seine Bestimmungen verifizieren und seine Kenntnisse vertiefen. Anhand der sehr ähnlichen Arten Silber-, Steppen- und Mittelmeermöwe (die erst seit den 1990er Jahren als unterschiedliche Arten differenziert werden) zeigte Steffen auf, welche Details in Muster und Farbe von Gefieder sowie Augen, Schnabel und Beinen die Zuordnung zu einer der drei Arten und dem Jahrgang erschließen. Die Tatsache, dass alle drei Arten untereinander hybridisieren, macht es zwar nicht leichter, trotzdem war der Vortrag motivierend, in die Möwenbestimmung einzutauchen und damit auch die Datenbasis exakter Meldungen zu verbessern.

 

Mit seiner Betrachtung „Mensch und Möwe – eine historische Spurensuche“ rundete Reno Lottmann, Ornithologe und Umweltpädagoge, den spannenden und vielfältigen Reigen des Symposiums ab. Unterhaltsam illustrierte er die historische Bedeutung der Möwen in der menschlichen Kultur, Kunst und auch Kulinarik: Als omnipräsentes dekoratives Symbol für den Nordseeküsten-Tourismus, als Zielscheibe für die frühere zweifelhafte Freizeitgestaltung des Möwen-Wettschießens, die dann zum Glück in die Ausweisung erster Schutzgebiete mündete, oder Möweneier als Nahrungsmittel in Notzeiten oder begehrte Delikatesse – auch dies ist seit Jahrzehnten verboten. Heute sind Möwen insgesamt als schützenswerte Vögel respektiert.

 

Federführend organisiert wurde das erkenntnisreiche Symposium von Hannah Wilting, die seit Kurzem bei der Nationalparkverwaltung für die Zugvogeltage verantwortlich ist. Neben der Nationalparkverwaltung waren die Deutsche Ornithologische Gesellschaft, das Institut für Vogelforschung und die Niedersächsische Ornithologische Vereinigung Mitveranstalter des Symposiums.

Nun sind die Akteurinnen und Akteure der 17. Zugvogeltage umfassend fachlich gerüstet für das Programm rund um die Sturmmöwe.

 

Weitere Informationen zu den Zugvogeltagen (ab Ostern auch das diesjährige Programm) unter www.zugvogeltage.de

 

 

Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Sturmmöwen-Symposiums (Foto: Gundolf Reichert / NLPV)

 


Die Sturmmöwe ist Titelvogel der 17. Zugvogeltage im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer (Foto: Thorsten Krüger).


 

 

 


Autor: Sabine Hinrichs
Fotos: Torsten Krüger, Gundolf Reichert @ NLPV
Quelle: Nationalpark-Verwaltung Niedersächsisches Wattenmeernalität


Baltrum-Online.de ist ein werbefreies und unabhängiges Angebot. Wir berichten ehrenamtlich und frei über die Insel Baltrum und stehen in keinerlei Verbindung zur Gemeinde Baltrum.

Weitere News

9.12.2025

Türchen, die I.

Die erste Woche mit Offenen Adventstürchen des Lebendigen Adventskalenders...

8.12.2025

Nikolaus II.

Der Nikolaus hatte auf Baltrum wieder alle Hände voll zu tun: Am Freitagabend war er bei der Feuerwe...

8.12.2025

Heute Offenes Türchen bei BaltrumMED

BaltrumMED lädt herzlich ein: 8.12.25 von 16 bis 18 Uhr, Eingang SindBad...

8.12.2025

Nikolaus I.

Die Nikolausfeste sind auf Baltrum traditionell die fröhlichsten und festlichsten Treffen des Jahres...

8.12.2025

Skippers öffnet mit Offenem Türchen

Adventstürchen und Basar im Skippers am 9. Dezember 16 bis 19 Uhr...

8.12.2025

Der Alte Badeturm muss saniert werden

Inselfreunde suchen Unterstützung: Spenden erwünscht!...

5.12.2025

Kindershantychor-Rekord

23 Baltrum-Kinder schmettern begeistert Seasongs und Shanties...

3.12.2025

Spannende Mini-Klassenfahrt

Klasse 6/7 in Esens...

2.12.2025

Baltrumer Gastronomie im Dezember

Charmant und ruhig - Reservierung besonders an Silvester empfohlen!...

2.12.2025

WoGe Generalversammlung am 3.12.

Mittwoch, 3. Dezember 2025 um 17 Uhr im Lesezimmer im Rathaus...

2.12.2025

Unterwegs mit TenneT

Nachlese: Inselschule zu Besuch bei der Bastelle im Watt...

1.12.2025

Lose, Lose, Lose!

Nikolaus-Tombola des KSV: Lose gibt es bei Stadtlander, in der VoBa und in der Tourist-Info....

30.11.2025

Stolen Moments im Sealords

Gemütlicher Novemberabend mit Live-Musik...

30.11.2025

Ein Adventsgruß vom Kluntje

Café Kluntje macht im kommenden Jahr zu Ostern wieder auf!...

29.11.2025

Advent und Weihnachten auf Baltrum

Gottesdienste und mehr – 1. Treffen zum Krippenspiel am Sonntag nach dem Familiengottesdienst...

28.11.2025

Jazz & Swing im Sealords

Novem-BAR-JAZZ mit STOLEN MOMENTS am 29.11.2025 um 20 Uhr im SEALORDS – Eintritt frei!...

27.11.2025

7 Inseln in 8 Tagen

Nordseelauf 2026 vom 20. bis 27. Juni ...

27.11.2025

Lebendiger Adventskalender

Offene Türchen auf Baltrum vom 1. bis 24. Dezember 2025...

27.11.2025

bofrost kommt zur Insel

Die Firma bofrost kommt am 18.12. zur Insel und liefert Bestellungen aus....

27.11.2025

Post hat am Freitag zu

Leider hat am morgigen Freitag die Baltrumer Postfiliale aus personellen Gründen geschlossen....

27.11.2025

Brücken marode, Züge fallen aus

2026: Drei Wochen Hauptsaison ohne einen Zug nach Norddeich Mole...

25.11.2025

SchirmSeaBar zeigt Champions-League

Dienstag- und am Mittwochabend um 21 Uhr...

24.11.2025

Inselmagazin 2026 erschienen

Das neue Inselmagazin BaltrumTied für 2026 ist in diesen Tagen erschienen. Jetzt bestellen!...

22.11.2025

Echos der Vergangenheit

Künstlerinnen und Künstler aus Griechenland, Frankreich, Italien, Spanien, Türkei und Deutschland...

21.11.2025

KSV Nikolaus

Liebe KSV-Mitglieder, die besinnliche Jahreszeit nähert sich und damit können wir uns Alle auf unser...


Alle Artikel des Jahres

Inselrundgang

Archiv


Volltextsuche:

Alle News der letzten 25 Jahre im Archiv:

2025
2024
2023
2022
2021
2020
2019
2018
2017
2016
2015
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001



8321 Artikel online verfügbar