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02.07.2011
Das Schild zum Sonntag
Neulich in der Werksausschusssitzung wurde die per eMail eingegangene Anregung eines Gastes vorgetragen: Das Schild am Strandabgang Wietjes sei doch etwas arg dramatisch formuliert: "Baden Verboten. Achtung! Lebensgefahr!" Ob man dies nicht seitens der Kurverwaltung etwas abmildern könnte, um die Gäste nicht zu verschrecken?
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Ach! Das waren noch Zeiten, als wir hier am Baltrumstrand eigene Baltrumer Badejungs hatten. Waschechte Insulaner - wilde Mähnen im Sturmgebraus, blaue Augen bis zum Horizont, wellen-& wogengestählte Körper im Sonnenlicht... mit einem freundlichen Wort für jedermann und jedefrau und jedeskind, ein Witzchen auf den Lippen, ein Spruch für jedes Wehwehchen, ein Erste-Hilfe-Set für jeden verletzten Vogel, einen kleinen Schalk im Nacken. Und vor allem: Mit vorausschauender Eile und treffsicherer Ahnung allenthalben voller fürsorglicher Warnung an rechter Stelle zur richtigen Zeit mit wohl gesetzten herzerwämenden Worten: "Bitte. Gehen Sie hier nicht ins Wasser. Dort unten lauert ein fieser alter Taschenkrebs. Der zwickt Ihnen den Zeh ab. Die dummen Pocken werden nicht weichen, wenn Sie auf der Buhne spazieren gehen wollen. Die alten Steine der altehrwürdigen Strandmauer sind gerade wieder freigespült. Sie könnten darüber stolpern. Kommen Sie doch bitte lieber zu uns an den Badeturm in die eine oder andere Badebucht (mitunter gab es zwei davon! Anm. der Red.), schwimmen sie hier, toben Sie sich bei uns aus!"
Da konnte keine(r) widerstehen. Man durfte auch mal ein kleines Loch buddeln zum anschaulichen Physikunterricht. Man durfte sich in haushohen Wellen gehen lassen. Man durfte sich auch mal am Seil ausruhen. Man durfte ein bisschen daneben schwimmen, wenn es in der einen oder anderen Bucht allzu voll war...
Die Baltrumer Badejungs glätteten morgens den Sand, drehten die Muscheln in die richtige Richtung, legten den Bernstein aus, halfen in Not beim Strandkorbschleppen und Stegebergen...
Und vor allem - dies haben die Strategen bei der Entscheidung zur Abschaffung einer eigenen Rettungsschwimmertruppe auf Baltrum (Anfang der Neunziger?) nicht bedacht: Heerscharen von jungen, vornehmlich weiblichen Stammgästen kamen Jahr für Jahr gerne zur Insel, um ihre echten Baltrumer Jungs wiederzusehen. Heerscharen junger, vornehmlich männlicher Stammgäste wollten es voller Bewunderung den Baltrumer Jungs gleich tun und bekamen am Strand zur Verstärkung der Rettungsschwimmertruppe die Chance, ein waschechter Baltrumer Jung zu werden mit wilder Mähne usw. Jeder Marketingfachfritze weiß um diesen unschätzbaren Wert. Jeder Zukunftsregionalnachhaltigkeitsforscher hätte damals ein hübsches Betätigungsfeld gehabt, an dem er noch heute forschen könnte. Ganze Generationen von Baltrumer Jungs (heute wären mit Sicherheit auch die Mädels dabei) haben hier ihre berufliche Laufbahn begonnen bzw. die Grundlage für ein finanziell gesichertes Studium gelegt (und es sei betont: die meisten von ihnen sind der Insel treu geblieben oder später wieder gekommen, um eigene Existenzen zu gründen!). ...
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Aber genug abgeschweift:
Neulich bei der Werksausschusssitzung also, als ein Gast per eMail anregte, doch das Gefahrenabwehrschild weniger drastisch zu formulieren, wurde zunächst auch abgeschweift und dann Folgendes behandelt:
Auf den Buhnen herrsche derzeit doch sehr große Verletzungsgefahr, weil sich Algen (Abrutschgefahr) und Pocken (Aufschürfgefahr) in ungebührlicher Weise und unverhältnismäßigen Maße dort miteinander breit gemacht hätten.
Die Gäste bräuchten die Buhnen ja nicht betreten, tönte es aus der Versammlung, schließlich sollten sie es ja auch nicht.
Man könnte ja ein Schild aufstellen: "Vorsicht! Lebensgefahr!"
Autor: Sabine Hinrichs
Foto: Hinrichs
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